Montag, 24. Oktober 2005

Hallo Antenne Bayern

Antenne Bayern, ein privater Rundfunksender, ruft ein paarmal am Tag wahllos von einem Computer ausgewählte Nummern an. Wer sich mit "Hallo Antenne Bayern" meldet, kriegt 10.000 Euro. Wer nicht, wird on air verarscht.

Die Idee ist der volle Bringer. In Bayern grassiert Hysterie. Für minimales Geld schafft es der durchformatierte Dudelfunker, dass vorrangig Hausfrauen und Kinder bei jedem Anruf ihren eigenen Namen verleugnen. Damit markiert der Sender öffentlichen Raum und wird Gesprächsstoff, denn die Peinlichkeit, die sich einstellt, wenn der Anrufer nicht Antenne Bayern ist (also in 99,99999997 Prozent aller Fälle), bedarf einer Auflösung. Rundherum gelungene PR also.

Und Anlass für Diskussionen in meinem Haushalt. Mein Sohn hat Dollarzeichen in den Augen und schon ausgerechnet, wieviele Tonnen Legosteine es für 10.000 Euro gibt. Meine Frau denkt an eine Dachsanierung. Es daher beiden sehr schwer vermittelbar, dass es mir lieber ist, wenn wir uns mit unserem Namen melden, als für die vage Chance auf 10.000 Euro ein dummes Spiel mitzuspielen. Für 10.000 Euro gehe ich auch gerne drei Monate in die Arbeit.

Samstag, 22. Oktober 2005

Federweißer vertreibt den Blues

Gerade kommen wir von einem Ausflug nach Hause. Wir waren in Bad Windsheim im Freilandmuseum. Dort stehen uralte, schief gewehte Bauernhäuser aus ganz Franken. An ihrem alten Standort ließ man sie verfallen, deshalb werden die Häuser demontiert und in Bad Windsheim wieder aufgestellt.

Wir fahren mit den Kindern mindestens einmal im Jahr ins Freilandmuseum. Ich staune jedes Mal, dass bis ins späte 19. Jahrhundert die meisten Feuerstellen in den Häusern einen offenen Kamin hatten. Der Rauch läuft von der Feuerstelle über eine Rinne an der Zimmerdecke zum Abzug. In den Häusern stinkt es erbärmlich nach Rauch.

Besonders demprimiert mich die Kate eines Kleinbauern aus dem 19. Jahrhundert. Dort steht in der ungeheizten Schlafkammer des Bauernehepaares, direkt unterm Dach, eine Kinderwiege. Das Dach hat keine Isolierung. Das einige, das Innenraum und Außenluft trennt, sind anderthalb Zentimeter Ziegel. Ich denke an die Neugeborenen in der Wiege, an 20 Grad minus im Winter, an Kindersterblichkeit und bin traurig.

Die Inneneinrichtung der Häuser im Museum variiert. Manche Häuser sind nachgebautes Mittelalter, andere stilecht 60er Jahre des 20. Jahrhundert. Ich kenne solche Stuben noch aus meiner Kindheit vom Milchholen beim Gumperbauern. Daran erinnert zu werden, dass ich einer Zeit angehöre, die andere für museal halten, ist nicht einfach. Vor allem nicht in dem Moment, in dem ich an Kindersterblichkeit denke. Mich macht das Museum immer traurig - aber meinen Kindern gefällts dort. Deshalb fahren wir hin.

Aber jetzt bin ich wieder lustig. Auf dem Heimweg kamen wir durch den Weinort Ipsheim. Die Weine von dort sind bis auf wenige Ausnahmen schlimme Frankenplörre. Aber es gibt diese Ausnahmen. Und Federweißen. Der hat jetzt, im späten Oktober, eine ziemliche Wucht.

Zwei Gläser des Weißen haben den Blues vertrieben.

Franken und Franzosen

Der bayerische Regierungsbezirk Mittelfranken hat in Fronkraisch ein Partnerdepartement. Das Limousin. Das ist sehr nett. Ab und zu kommen die Franzosen uns besuchen. Sie singen dann Lieder vor, die sehr viel mehr Temperament haben als unsere Frankenlieder. Der Franke wenn singt, macht er das entweder uniformiert mehrstimmig oder besoffen einstimmig. Der Franzose kann immer singen, mehrstimmig nüchtern fröhlich, einstimmig besoffen traurig oder fröhlich, mehrstimmig besoffen, einstimmig nüchtern.

Aber nie uniformiert.

Freitag, 21. Oktober 2005

Stoiber und die Vollkaskogesellschaft

Edmund Stoiber will eine Nachfolgeregelung für das Amte des bayerischen Ministerpräsidenten erst dann treffen, wenn die große Koalition steht und der 64-Jährige seinen Eid als Bundeswirtschaftsminister abgelegt hat. Solange nimmt er die Raufereien zwischen Beckstein und Huber billigend in Kauf.

Nichts ungewöhnliches? Leider nein. Aber trotzdem hanebüchen.

Ist es nicht Stoiber, der keine Gelegenheit auslässt, um öffentlich die Vollkaskomentalität seiner Untertanen zu geißeln und mehr Risikobreitschaft fordert - und sich damit trotz schwerer wirtschaftspolitischer Verfehlungen in seiner Amtszeit als bayerischer Ministerpräsident (Skandale bei der Bayerischen Landesbank, eine verunglückte staatliche Einflussnahme bei der Fusion zur HypoVereinsbank, dazu der ganze Lederhosen-Laptop-Schmarren wärend der Blüte der New Economy, als Milliarden Staats- und Steuergelder in staatlich subventionierten Scheingründungen verbrannt wurden) als wirtschaftspolitisches Schwergewicht darstellt?

Wenn es um eigene Pfründe geht, um den eigenen Machterhalt, sieht die Sache natürlich anders aus. Der asketische 64-jährige Herr Ministerpräsident Stoiber predigt Wasser und säuft Wein.

Aber damit hat er wenigstens eine Kernkompetenz, um seinen Job als zukünftiger Messeneröffnungsminister auszufüllen.

Donnerstag, 20. Oktober 2005

Jubel, Trubel, Heiterkeit

Unternehmenskommunikation ist in der Logistik ist Chefsache jubelt Trimedia. Und mir kommt das kalte Grausen, wenn ich an die Geschmacksterroristen und Antialphabetiker in den Chefsesseln der Logistikunternehmen denke.

Mittwoch, 19. Oktober 2005

Haltungsturner als Mensch

PR-Seminar in Nürnberg, Kaffeepause. Ich hab drinnen einem Referenten ein wenig auf den Zahn gefühlt. RSS ist jippiiee, sagt er. Kann man riesig PR damit machen. Ich frage, was er davon hält, wenn Fachpresseinfos über irgendwelche drögen Logistikprojekte höchst honoriger Logistiker via RSS-Feeds auf Pornoseiten landen. Eloquenter Bursche, nett, aber mei. Ich habe für den Google-Hit auf der Pornoseite übel Haue gekriegt. Die Klatsche musste sein. Er nimmt sie gelassen, zieht sich hervorragend aus der Affäre. Muss man ihm lassen.

Draußen, Kaffeeepause, redet er übers bloggen. Hört sich vernünftig an, was er sagt. Ich frage, er sagt, er sei
Haltungsturner.

Ich oute mich.

Wir stolpern übereinander im Netz und im Leben. Und haben jetzt allen Grund, uns schief und krumm zu lachen.

Seine Sicht der Dinge steht, wie könnte es anders sein, seit ein paar Stunden auf seinem Blog. Dumm nur, dass ich zu dumm bin, auf Blogger.de die Kommentarfunktion zu bedienen, sonst hätte ich mich schon längst für den netten Kerl bedankt und selbigen zurückgegeben.

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