Gestern brach für meinen Sohn (8) die Welt zusammen. Er erfuhr ganz beiläufig aus einem Gespräch zwischen meiner Frau und mir, dass ich seinen Opa nicht leiden kann. Erst war er fassungslos, alles Blut ist aus ihm gewichen. Dann, von einer Sekunde auf die andere, hat er geheult, mich angeschrien, getobt. Dass mein
Schwiegervater für mich ein schlimmer Mensch ist, hat meinen Sohn tief verletzt.
Ich hoffe, dass wir einen Weg finden, damit umzugehen. Und ich habe jetzt einen blassen Schimmer davon, wie es Scheidungskindern ergehen mag.
Stachanow - 27. Mai, 10:02
Fünf Tage lang hüteten meine Schwiegereltern Haus, Kinder und Katze. Meine Katze wie meine Tochter wurden von meiner Schwiegermutter fünf Tage lang Mäuschen gerufen. Meine Tochter wurde bei jedem Tritt auf dem Fahrrad überwacht. Dabei hat die Oma immer "fall nicht runter" gerufen.
Mein Schwiegervater drängte sich bei Nachbars als Helfer auf, Wurzelstöcke entfernen. Und schlug sich dabei an einem zurückschnellenden Hebel eine dicke Beule an den blöden Kopf. Ja, genau. Bei diesen Nachbarn, bei denen ich mittels jahrelangem Ignorieren einen gewissen Modus vivendi herbeiführen konnte. Dann reparierte mein Schwiegervater meinen Rollladen. So, dass er jetzt als Bündel Plastikmüll im Schuppen liegt. Dafür durfte ich mir anhören, dass in meinem Haus (anders als in seiner Wohnung) die Rollläden ein billig verbauter Mist seien. Ich weiß jetzt, dank der Kommunikationsfreude meiner Schwiegermutter, dass der Dicke in der Gartenwirtschaft der Schwiegersohn vom Pächter ist und nicht der Sohn. Was mir immer schon egal war. Ich weiß jetzt, dass das Haus über die Straße unten, in dem vergangenes Jahr der Mann gestorben ist, hergerichtet wird um vermietet zu werden, weil der Sohn von dem Verstorbenen, der das Haus geerbt hat, den Preis, den ich für mein Haus bezahlt habe, nie und nimmer kriegt. Ich weiß jetzt, dass die schwangere Kindergärtnerin, die während unseres Urlaubs ihren Abschied in den Mutterschutz gab, meinen Sohn so mochte, weil er in seiner Kindergartenzeit angeblich ja "soo freundlich und soo nett, der netteste und liebste von allen" war. Quatsch. Mein Sohn war kein Engel dort, sondern ein ganz gewöhnlicher Bub.
Ich weiß jetzt alles von allem aus dem Dorf, das Geschissene und das Geseichte. Und die wissen dank meiner Schwiegereltern das Geschissene und das Geseichte von mir.
Wenn wir etwas aus Rom berichten wollen, dann fällt uns Schwiegermama ins Wort, weil sie dann nicht mehr im Mittelpunkt steht, und fängt an zu erzählen, wie sehr die Kinder es genossen hätten, wenn sie ihnen polnische Kinderlieder vorgesungen hat, lieber noch als die russischen Lieder mögen meine Kinder polnische, denn sie kann ja beide Sprachen.
Meine Kinder haben den Irrwitz der vergangenen Tage einschließlich polnischer und russischer Kinderlieder eigentlich gut weggesteckt, nur mein Sohn kaspert viel rum und muss den Wahnsinn zeitweise aus sich herausschreien. Leider bin ich erwachsen und darf das nicht. Ich muss mich freundlich bedanken fürs Haus und Kinder hüten. Nach dem Frühstück fahren sie ab. Jetzt rufen sie nach mir. Jaha, ich komm gleich runter!
Stachanow - 25. Mai, 08:09
Die Römerin. Spielt ständig mit ihren Haaren. Der Römer. Wirft mit jahrelang geübter staatsmännischer Miene seine Vespa an. Wie einen eine Stadt, in der die Leute dermaßen fixiert sind auf ihr Äußeres und auf Äußerlichkeiten, doch so sehr zum Nachdenken über das eigene Leben bringen kann.
Stachanow - 25. Mai, 07:49
Kaum bin ich mal vier Tage lang in Rom, bring ich im Gepäck die Staatskrise mit. Aber das nur nebenbei. Viel einschneidender und politischer als ein paar andere Politikerköpfe (und die Tatsache, dass NRW nach bald 40 Jahren nicht mehr rot ist, also auch für Bayern die Chance besteht, in vielleicht 280 Jahren nicht mehr schwarz zu sein): Ich bin in Bella Italia Berlusconis Medienwelt und damit der Zukunft des deutschen Fernsehens begegnet.
Das italienische Fernsehen ist vollkommen informationsfrei, hat dafür aber mindestens 20 Home-Shopping-Kanäle. Und zehnerlei Call-in-Shows, meist mit Lebenshilfe durch Astrologie oder Kartenlegen. Die Kartenlegerin ist immer ein in die Jahre gekommenes und verlebtes Model. Frischere Models dagegen gibt es beim Fußball. Weil RAI keine Bildrechte hat, mussten die sich was anderes einfallen lassen. Sie übertragen Radio ins Studio und führen den Radio-Kommentar operierten Frauen vor, die vorgeben, sich für die eine oder andere Mannschaft zu begeistern. Fällt ein Tor, müssen die Schönheiten wahlweise jubeln oder Zitronengesichter hinziehen. Bleiben davon Lachfalten - oder, bei einem Mindestmaß an Intellekt der Frau, eher Stressfalten zurück -, heißt es ab in den Nachbarkanal zum Kartenlegen.
Stachanow - 24. Mai, 20:34
Das Angenehme an Berlin ist (nebst der Urbanität und dem zügigen Verkehrsfluss) der entspannte Umgang mit der deutschen Geschichte.
Sagt ein Berliner: "Komm, wir fahrn nach Spandau", dann denkt er nicht, wie ich, sofort und unwillkürlich und zwanghaft an Rudi Hess. Sondern an eine Fassbrause in irgendeinem Lokal.
Stachanow - 19. Mai, 19:27
Rom, 30 Grad. Die Frisur sitzt dank 3-Wetter-Taft. Nein, keine Pilgerreise. War schon vor Ratzi gebucht, ein Geschenk meiner Frau zu meinem
Geburtstag. Bin am 25. Mai wieder da. Auf bald!
Stachanow - 19. Mai, 18:29
Wenn einer eine Reise tut ...
Gestern führ ich mit dem Motorrad nach Berlin und wieder zurück, Kurzbesuch bei einem Kunden (@Booldog: nicht greinen, war wirklich sehr kurze Stippvisite und ich muss heute gleich weiter).
Auf dem Heimweg an der Tanke Triptis wurde ich Zeuge davon, wie nachts um zwölf Mandy (24, schlecht blondiert) und Doreeeen (ebenfalls 24, aus dem Nagelstudio) zusammen mit Maik (28, tiefergelegter Golf) und Enrico (20, an seinem dünnen Bärtchen hat er stundenlang zu rasieren) diverse Pornohefte erstanden, um sich damit in den tiefergelegten Golf zu verziehen und auf dem Hof der Tanke die Heftchen zu studieren.
Ein Vierer in der Aral-blauen Nacht? Brauchten die Nachhilfe? Ich hatte auf der Autobahn noch einige Stunden Zeit, eine Interpretation zu suchen. Gefunden habe ich keine.
Außer der, dass Mandy und Doreeeen, Maik und Ricardo noch mindestens vier Jahrhunderte brauchen, um irgendwo anzukommen.
(@Titania: Krasse Verallgemeinerung der Menschen hinterm Zaun, nicht böse sein. Dich liebe ich.)
Stachanow - 19. Mai, 13:41
Es ist Bergkirchweih. Erlangen ist fest im Griff der Volksseuche Alkohol. Besoffene wanken stieren Blicks durch die Stadt und marodieren. Oder liegen regungslos in der Gosse. Hingen sie an der Nadel, der Beckstein käme und ließe sie fortschaffen. Der erste Tote: ein besoffener Student, der von einer Lok mitgerissen wurde.
Gewinne aus dem Rauschmittelverkauf werden privatisiert, die Festwirte und Brauereien, aber auch die Tankstellen machen einen Höllen-Umsatz. Die Verluste werden sozialisiert: Die Polizei rückt aus, locht Streithähne ein, anschließend kümmert sich die Justiz darum. Der Malteser ist im Dauereinsatz und schafft blutende, wild um sich schlagende Gestalten in die umliegenden Krankenhäuser, wo sie ausgenüchtert und wieder zusammengeflickt werden.
Der in den lokalen Zeitungen (Erlanger Nachrichten, Fränkischer Tag) veröffentlichte Polizeibericht umfasst jeweils eine knappe Zeitungsseite. Tenor: Augenzwinkernd, belustigend fast. Die menschlichen Tragödien haben ja irgendwie mit Tradition zu tun. Fünfte Jahreszeit und so.
Das Treiben in der "Medizinhauptstadt Deutschlands", jawoll, so nennt sich Erlangen in den Broschüren der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, ist schlicht widerwärtig und ich kann mir gut vorstellen, was die Kopftuchmuslima dabei empfinden muss. Ungefähr das gleiche, das ich empfinde, wenn ich von Steinigungen und Genitalverstümmelung lese.
Stachanow - 17. Mai, 13:32