Stachanow - 23. Dez, 17:22
Gestern fahre ich mit dem Motorrad (ich bin Ganzjahresfahrer) nach A-Stadt, einen freien Grafiker briefen für ein Buchprojekt. Auf dem Hinweg Nieselregen, auf dem Heimweg, es ist schon nach 19 Uhr, ziemlich dicker Nebel. Ist kein Wetter mehr zum Motorradfahren. Das Visier von innen und außen beschlagen. Fahre ich halt offen und langsam. In der dicken Suppe nähere ich mich einem Marktflecken. Scheiße, denke ich. Da vorn am Ortseingang hat es im Nebel gekracht. Scheint aber ein größerer Unfall zu sein. Feuerwehr ist auch da, dem Lichtermeer nach zu urteilen.
Auf 50 Meter nähere ich mich an. Dann erkenne ich mehr. Und gebe wieder Gas. Der Unfall ist ein ungefähr vier Meter hoher aufblasbarer Weihnachtsmann, umringt von so blinky Leuchtdioden.
Nachtrag: In meiner Studentenzeit war Wackersdorf angesagt. Ich fuhr dorthin zum Kämpfen. Nicht als Autonomer. Sondern so gemäßigt. Farbbeutel und Steine ja, Zwillen und Mollies nein. Es war schön dort, man konnte die Polizei herausfordern und sich dann prügeln. Manchmal lief ich als Späher stundenlang durch den Wald, auf der Suche nach der Polizei, die einen umgehen wollte. Immer waren wir bei diesem Indianerspiel der Staatsmacht unterlegen, was sehr romantisch war. Und das Adrenalin pulste angenehm durch meine Adern. In improvisierten Suppenküchen konnte ich den suppeschöpfenden Pädagogikstudentinnen mit meinem Heldenstatus imponieren. Der finstere Blick, die Stimme gesenkt. Darf ich mir mal eine drehen? Klar durfte ich, ich hatte ja ein wenig Blut an der Nase. Zum Sex im Kasten-R4 hat es aber nie gelangt. Ich kenne nur einen, man nannte ihn Flo, der hat das gepackt. Trotzdem. Bei mir hat es in der Suppenküche oft schön geprickelt in der Lendengegend. Die Polizei hatte auch ihren Spaß dort mit uns, wie ich später von einem erfuhr, der auf der Gegenseite stand. Aber wir hatten die größere Gaudi. Wir hatten Moni und Angie in der Suppenküche.
Es war Spannung und Spiel. Und die Überzeugung, dass das mit der Atomkraft nichts ist. Wenn ich diese erleuchteten Vorgärten sehe, will ich wieder Steine schmeißen.
Stachanow - 4. Dez, 10:36
Heute höre ich im Radio (en passant; deshalb kann ich die Quelle nicht identifizieren) unseren geschätzten Innenminister Beckstein. Er sagt: "Bayern ist Marktführer bei der inneren Sicherheit."
Es muss der Bayerische Rundfunk gewesen sein. Weil der Scheißdreck aus dem Ministermund unwidersprochen blieb.
Stachanow - 2. Dez, 21:31
Gestern vor acht Jahren trat ich einen neuen Job an. Zuvor war ich eine Weile lang arbeitslos. Genauer: Faktisch acht, offiziell vier Wochen.
Damals hatte ich 90.000 Mark auf dem Zins und bin trotzdem ums Aldi-Regal geschlichen, grübelnd, ob ich mir noch die besseren Nudeln leisten kann und frisches Gemüse. Nach zwei Tagen war der Spiegel abbestellt und in meiner Tasche hütete ich einen nagelneuen Leihbibliotheksausweis. Und derlei Dinge mehr. Dabei habe ich mich nie über Arbeit definieren wollen. Heute sind das Anekdoten - und ich definiere mich nicht mehr (so) über Arbeit.
Hoffentlich.
Stachanow - 2. Dez, 19:59
Ein Jahr geht rum wie nichts. Bald schreibe ich wieder an der steueroptimierten Fassung meines Fahrtenbuches, ein Bewegungsdiagramm, das zu 80 Prozent aus Zeilen besteht, die mit "Oxxxxxxxxx-Exxxxxxx-Oxxxxxxxxx" beschrieben sind. Dazu Ausflüge zu diversen Gewerbegebieten in Orten wie München, Paderborn, Bonn, Kleve, Augsburg, Bad Hersfeld.
Ein Elend, wenn man ein Jahr auf das reduziert sieht.
Stachanow - 26. Nov, 15:49
Man lernt nie aus. Und gestern habe ich wieder etwas neues gelernt. Über das Heilmittelwerbegesetz.
Keine juristischen Konsequenzen hat - Beispiel Allergikerbettwäschen - die Aussage: "Vermindert Allergene".
Die Werbeaussage "Vermindert Allergien" hingegen ist gleichbedeutend mit einer Sachaussage über die Linderung von Krankheiten, Leiden oder krankhaften Beschwerden. Damit wird § 1 Abs. 1 Nr. 2 HWG "einschlägig", wie der Jurist sagt. Und damit braucht die Bettwäsche einen Beipackzettel. Oder fragen Sie Arzt oder Apotheker.
Weniger Allergene, weniger Allergien. Ein kleiner Gedankensprung für einen Allergiker. Aber ein immenser Schritt für die Juristerei.
Ich neige nicht dazu, in das Horn derjenigen zu stoßen, die unser Land und unsern Staat scheiße finden müssen. Unser Staat verhindert, dass marodierende Patri-Idioten mit Schusswaffen rumrennen und Zehntausende Leute im Jahr abschießen, oder dass die Leute Wale fressen, oder dass Kinder Armer an läppischen Kinderkrankheiten krepieren. Das kommt in anderen Industrienationen dieser Welt vor.
Ich darf diesen Staat hier sogar andissen, wenn er ein Heilmittelwerbegesetz erlässt und damit Juristen in Lohn und Brot versetzt.
Das ist Freiheit, die ich meine.
Stachanow - 26. Nov, 11:22
Hallo, nicht vorhandene Gemeinde.
Ich habe gerade extrem viel zu tun und schreibe besser denn je. Vielseitiges Zeug. Intelligentes Zeug, soweit es mein Verstand beurteilen kann. Zeug, das Spaß macht. Derzeit also brauche ich das Blog hier nicht als Ventil. Bis ein andermal.
Stachanow - 18. Nov, 19:41