Donnerstag, 27. Januar 2005

Studiengebühren

Dieses Posting ist subjektiver und biografischer geworden, als ich es ursprünglich wollte. Es geht aber nicht anders.

Ich habe von 1985 bis 1990 studiert. Als erster Sproß einer Großfamilie, die noch vor zwei Generationen fast gänzlich aus halbnomadisierenden Schäfern, besitzlosen Tagelöhnern und Bauernmägden bestand. Landproletariat eben. Meine Mutter wurde mit 14 in die Fabrik geschickt. Mein Vater durfte eine Lehre als Speditionskaufmann machen, das war ein Aufstieg.

Nun gab es einen Willy Brandt. Der hat meiner Mutter beigebracht, dass ihr Bub aufs Gymnasium kann, wenn er den Kopf dazu hat. So wie die Bürgerskinder auch.

Als ich 15 war, durfte ich mir zwar jeden Tag daheim anhören, dass anderer Leute Kinder ein Geld nach Hause bringen und ich meine Zeit nur mit Rumtheoretisieren und Vierer schreiben vertrödle. Aber so ist das halt.

Nach dem Abi ging ich studieren, anschließend volontieren, redigieren, pressesprechern. Als Quotenhure verselbständigt, habe ich die vergangenen zehn Jahre etwas gemacht, was Siemens die vergangenen zehn Jahre tunlichst vermieden hat: Ich habe neue Arbeitsplätze geschaffen. Meinen mitgerechnet sind es sechs. Ich zahle Steuern. Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Grunderwerbsteuer, Grundsteuer ...

Und ich habe Leuten, die frisch von der Uni kamen, das Arbeiten beigebracht. Sie brauchen ungefähr ein Jahr, bis sie sich in der kapitalistischen Arbeitswelt einigermaßen bewegen können. Der Kapitalismus versteht es, sich ausgezeichnet zu tarnen. Selbst vor studierten BWLern und Juristen.

So. Nun urteilt das Bundesverfassungsgericht gestern, dass es Studiengebühren geben darf. Edelgard Bulmahn zieht eine beleidigte Fresse und die Schwarzen zwitschern vor Freude wie die Lerchen auf dem Felde.

Die Pisa-Studie machte öffentlich, dass in Deutschland wie in keinem anderen Land das Bildungsniveau der Schüler vom Geld der Eltern abhängt. Für den, der Geld hat, ist das eine gute Nachricht. Seine Kinder haben es mal besser. Sie kriegen keinen Konkurrenzdruck von diesen dreckigen, dem Land- oder einem sonstigen Proletariat entsprungenen Aufsteigertypen. Für den, der Geld hat, sind 500 Euro pro Semester ein Klacks.

Die Studenten, die das Geld nicht von den Eltern kriegen, werden werden Jobber. Ihre Entscheidung: Großer Mathe- oder kleiner Geldschein. Die Globalisierungsgegnerin Naomi Klein bezeichnet solche Leute in ihrem Buch "No Logo" als "Perma-Temps". Ein Oxymoron. Was haben Perma-Temps zu verlieren? Nichts! Meine Generation hat Wackersdorf verhindert. Es geht! Ich erhoffe mir massive Proteste.

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